A. Die Pflicht der Gründungsaktionäre zur Leistung der Einlagen.
Gemäß Art. 6 § 1 der Kapitalrichtlinie müssen die nationalen Rechtsnormen für jede
Aktiengesellschaft ein Mindesteigenkapital von 25 000 Euros fordern. Aus der Formulierung
der Art. 9 und 10 der Richtlinie ergibt sich, dass das Kapital durch Bar- oder Sacheinlagen
eingebracht werden kann. Sacheinlagen können nach Art. 7 S. 1 nur Vermögensgegenstände
mit feststellbarem wirtschaftlichem Wert sein. Einlagen durch Erbringung einer
Dienstleistung sind ausgeschlossen (Art. 7 S. 2). Zum Zeitpunkt der Gründung der
Gesellschaft oder deren Genehmigung müssen bei Bareinlagen 25 % des Nennbetrages der
Aktien geleistet werden (Art. 9 Abs. 1), bei Sacheinlagen ist die vollständige Leistung
innerhalb von fünf Jahren nach der Gründung zu erbringen (Art. 9 Abs. 2). Diese
Verpflichtung obliegt den Gründungsaktionären. Sie dürfen nicht davon befreit werden (Art.
12). Um Missbräuche bei der Erbringung von Sacheinlagen zu vermeiden, muss außerdem
gemäß Art. 10 ein gesonderter von einem oder mehreren Sachverständigen verfasster Bericht
über diese Einlagen erstellt werden.
Eine besondere Frage ist diejenige der „verschleierten“ bzw. „verdeckten“ Sacheinlage.
Es geht um diejenigen Fälle, in denen eine Sachgründung in das Gewand einer Bargründung
gekleidet wird, indem formal eine Geldeinlage vorgesehen ist, diese aber so mit einem
Verkehrsgeschäft verbunden ist, dass das wirtschaftliche Ergebnis das einer Sacheinlage ist.
Dies stellt eine Umgehung der von der Richtlinie bei Sacheinlagen gestellten Erfordernisse
dar. Seit den 1920er Jahren war die deutsche Rechtsprechung der Ansicht, dass der Aktionär
die Geldeinlage nochmals zahlen muss und hinsichtlich des Gegenstandes nur den schwachen
Bereicherungsanspruch hat(306). In derselben Entscheidung hat der BGH entschieden, dass diese
Rechtsprechung nicht gegen die Kapitalrichtlinie verstößt. In der einschlägigen Literatur
wurden darüber heftige Debatten geführt. Mit der Einführung des neuen § 27 Abs. 3 AktG
durch das Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) sollte jedoch dieser
Frage keine große Bedeutung mehr zukommen.
B. Die Zeichnung und der Erwerb eigener Aktien durch die Gesellschaft.
Der Frage, ob die Gesellschaft eigene Aktien zeichnen oder erwerben kann, und somit
sozusagen ihr eigener Aktionär werden kann, kommt eine besondere Bedeutung hinsichtlich
des Erfordernisses der Kapitalerhaltung zu. Gemäß Art. 18 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie ist das
Zeichen eigener Aktien verboten. Etwas anderes gilt für den abgeleiteten Aktienerwerb.
Dieser ist zwar grundsätzlich durch die Richtlinie verboten. Ausnahmen sind jedoch von den
Art. 19 und 20(307) vorgesehen. Die Mitgliedstaaten sind jedoch nicht eingehalten, sie
umzusetzen. Falls sie das tun, müssen sie jedoch die dort verankerten Bedingungen beachten.
Das Verbot des abgeleiteten Erwerbs eigener Aktien durch die Gesellschaft wurde im
französischen Recht 1998 aufgehoben (Art. L. 225-107 bis L. 225-117 C. Com.). Gleiches gilt
für das deutsche Recht: § 71 AktG sieht eine abschließende Liste von acht Fallkonstellationen
vor, in denen der abgeleitete Erwerb ihrer eigenen Aktien durch die Gesellschaft erlaubt ist.