Das Bezugsrecht kann durch Beschluss der Hauptversammlung ausgeschlossen werden
(Art. 29 Abs. 4 S. 2). Dies stellt eine Beeinträchtigung der Rechten der Aktionäre dar. Wird
von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, hat das Verwaltungs- oder Leitungsorgan der
Hauptversammlung einen schriftlichen Bericht über die Gründe des Ausschlusses des
Bezugsrechts vorzulegen. Zudem erlaubt Art. 29 Abs. 5 den Mitgliedstaaten, Vorschriften
einzuführen, nach denen die Hauptversammlung das im Rahmen des genehmigten Kapitals
zuständige Organ zur Entscheidung über den Bezugsrechtsausschluss ermächtigen kann. Zwar
sieht das deutsche Recht nicht ausdrücklich vor, dass der Ausschluss des Bezugsrechts
materiellen Voraussetzungen genügen muss. Seit dem „Kali und Salz“-Urteil unterwerfen die
deutschen Gerichte den Bezugsrechtsausschluss einer am Gesellschaftsinteresse orientierten
Inhaltskontrolle. Danach ist ein Bezugsrechtsausschluss zulässig, wenn er im Interesse der
Gesellschaft liegt und bei einer Abwägung von Mittel und Zweck verhältnismäßig ist(316). Dies
ist z.B. der Fall, wenn der Bezugsrechtsausschluss die Vermeidung von Spitzenbeträgen, die
Ausgabe von Belegschaftsaktien, die Sanierung der Gesellschaft oder ihre Börseneinführung
ermöglichen soll. Im Schrifttum hat eine heftige Debatte über die Richtlinienkonformität
dieser Rechtssprechung stattgefunden. Art. 29 Abs. 4 der Kapitalrichtlinie sieht nämlich keine
materielle Voraussetzung zum Ausschluss des Bezugsrechts vor. Entscheidend ist, ob die
Richtlinie die von ihr enthaltenen Kriterien abschließend vorgibt oder ob für die
Mitgliedstaaten ein Spielraum verbleibt. Entscheidend sollte sein, dass im zweiten
Abwägungsgrund der Richtlinie die Frage von einem „Mindestmaß an Gleichwertigkeit“
beim Schutz der Aktionäre ist. Danach steht die Rechtssprechung des BGH in Einklang mit
der Richtlinie. Dies wurde vom EuGH in dem Siemens/Nold-Urteil bestätigt.