Da die strikte Geltung des Verhinderungsverbots und der Durchbrechungsregel die
Verabschiedung der Richtlinie hätte scheitern lassen, erlaubt es Art. 12 den Mitgliedsstaaten,
ihren Gesellschaften nicht vorzuschreiben, Art. 9 Abs. 2 und 3 und/oder Art. 11 anzuwenden.
Nach Art. 12 Abs. 1 Unterabs. 1 muss allerdings ein Mitgliedstaat, der von dem Recht aus Art.
12 Abs. 1 Gebrauch macht, seinen Gesellschaften die widerrufliche Wahlmöglichkeit
einräumen, die genannten Vorschriften dennoch zur Anwendung zu bringen. Die
Entscheidung der Gesellschaft wird von der Hauptversammlung im Einklang mit den
Vorschriften über die Änderung der Satzung getroffen und ist der nationalen zuständigen
Aufsichtstellen mitzuteilen. Die Entscheidung über die Geltung des Verhinderungsverbots und
der Durchbrechungsregel obliegt somit den Aktionären. Frankreich und Deutschland haben
diese Bestimmungen unterschiedlich umgesetzt: Während Frankreich die Umsetzung der Art.
9 und 11 vorgenommen hat, hat Deutschland von dem Wahlrecht des Art. 12 Gebrauch
gemacht und somit diese Bestimmungen nur als fakultative Regeln umgesetzt. Jedoch hat der
deutsche Gesetzgeber der Hauptversammlung der deutschen Gesellschaften die Möglichkeit
gegeben, das Verhinderungsverbot und die Durchbrechungsregel in ihrer Satzung vorzusehen
(§§ 33a, 33b WpÜG).
Hinzu kommt die Reziprozitätsregel des Art. 12 Abs. 3, wonach die Mitgliedstaaten
Gesellschaften, die das Verhinderungsverbot und/oder die Durchbrechungsregel anwenden,
von der Geltung dieser Grundsätze befreien können, wenn die Gesellschaft Ziel eines
Übernahmeangebots geworden ist und der Bieter oder die den Bieter kontrollierende
Gesellschaft die jeweiligen Grundsätze selbst nicht anwendet.